Zoo: Der Eifer von Wissenschaftlern und Ingenieuren bringt seit Anfang der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts beständig neue Simulationsverfahren für die wasserwirtschaftliche und wasserbauliche Praxis hervor. Nutzen und Verfügbarkeit entscheiden über den Erhalt und die Weiterentwicklung der einzelnen Methoden. Unter dem Gesichtpunkt der Effizienz ist die Bündelung aller Verfahren in einem Programm wünschenswert. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte lehrt jedoch, dass dies nicht stattfindet. Vielmehr entstehen permanent neue Programme, die neue Anwendungsbereiche erschließen oder Nischen besetzen.

 

Simulationsverfahren
 

In der wasserwirtschaftlichen Praxis werden im Wesentlichen drei Arten von Simulationsmodellen für natürliche Fließsysteme eingesetzt:

  • Niederschlags-Abfluss-Modelle (NA) zur hydrologischen Modellierung des Wellenablaufs, der Verdunstung sowie der Versickerung
  • Hydrodynamische Modelle (HD) zur numerischen Simulation der Abflüsse und Wasserspiegellagen
  • Grundwassermodelle (GW) zur numerischen Simulation der Abflüsse und Grundwasserstände

Die Abflussbildung mittels NA-Modell (NA) ist zwingend erforderlich, wenn nicht passende Vorgaben vorliegen. Sowohl das HD- als auch das GW-Modell basieren auf den gegebenen oder berechneten hydrologischen Daten. Die morphologische Veränderung kann durch eine entsprechende Erweiterung des HD-Modells mit berücksichtigt werden. Man spricht dann von einem morphologischen Simulationsmodell (HD_ST). Mit den morphologischen Modellen verwandt sind die Erosionsmodelle (NA-ER). Diese beziehen ihre Eingangsdaten aus einem NA-Modell. Weitere Erweiterungen sind möglich. Die zusätzliche Lösung der Advektions-Dispersions-Gleichung ermöglicht die Simulation von Stofftransport (HD_AD oder GW_AD). Die zusätzliche Lösung der Advektions-Konvektions-Gleichung ermöglicht die Simulation von Wärmeausbreiung (HD_AC oder GW_AC). Empirische Formeln zu Wasserqualität (WQ) können prinzipiell an alle drei Grundtypen (NA,HD,GW) angehängt werden. Gleiches gilt für empirische Erweiterungen aus Ökologie (OE), Chemie (CE), Biologie (BE) oder Energiewirtschaft (EM).

Künstliche hydraulische Fließsysteme sind in der Regel stark vernetzt. Im Wesentlichen werden drei Arten von Simulationsmodellen verwendet:

  • Hydrodynamisches Stadtentwässerungsmodell (SE) zur numerischen Simulation von Abflüssen und Wasserständen bzw. Druckhöhen in den Haltungen des Rohrnetzes
  • Hydrodynamisches Trinkwasserversorgungsmodell (TV) zur numerischen Simulation von Abflüssen und Druckhöhen in den Haltungen des Rohrnetzes
  • Hydrodynamisches Bewässerungsmodell (BW) zur numerischen Simulation der Abflüsse und Wasserspiegellagen

Die Grundlagen für die künstlichen Fließsysteme sind notwendigerweise identisch zu denen der natürlichen Fließsysteme. Eine eigene Klassenbildung lohnt wegen der abweichenden Aufgabenstellung, Komplexität und Dimension dennoch.

Wasserhaushaltsmodelle (WH) bilanzieren den gesamten Wasserkreislauf und setzen sich aus den drei Modellgrundtypen NA/HD/GW zusammen. Folglich können sie selbst kein Grundtyp sein.

Eine Reihe von eigenständigen Simulationen benötigen die Ergebnisse der hydrodynamischen Simulation als Eingabedaten. Hierzu zählen zum Beispiel:

  • Evakuierungssimulationen D-EV
  • Fischwanderungssimulationen D-FS
  • Allgemeine Ökologische Modellierung D-ÖM

Auch diese abgeleiteten D-Modelle (derived) gehören nicht zu den Grundtypen.


Trotz der enormen Fortschritte sollte man die Grenzen der Simulation im Auge behalten und die Alternativen - Naturmessung oder Modellversuch - im Zweifelsfall ersatzweise oder ergänzend ausführen.

 

 
Klassifizierung
 

HydroSim verwendet die nachfolgende Klassifizierung mit den hieraus abgeleiteten Bezeichnungen.

Niederschlags-Abfluss Modelle NA

Grundtypen:

  • NA-LM : Black-Box-Modell (lumped model) : Dieses Modell liefert keine flächengenau Auflösung, sondern nur "Summen"-Werte des Ablaufs.
  • NA-DM : flächendetailiertes Modell (distributed model) : Modell mit flächengenauer Auflösung, d.h. es können auch Ergebnisse innerhalb des Einzugsgebiets abgegriffen werden.

Erweiterungen:

  • ER : Erosionsmodell: Es wird i.d.R. der Abtrag mittels modifizierter Sedimenttransportformeln berechnet. Diese Modelle sind i.d.R. nur in Kombination mit einem der o.g. NA-Modelle ausführbar.
  • LN : Landnutzungsmodell : Der Einfluss der Landnutzung auf den Abflussvorgang wird berechnet.

Hydrodynamische Modelle HD

Grundtypen:

  • HD-PF : Rohrnetzmodelle (pipe flow): Es gilt i.d.R. die Bernoulli-Gleichung
  • HD-SW : Flachwassermodelle (shallow water): Es gelten i.d.R. die Flachwassergleichungen. Die Erweiterung 1D bzw. 2D kann zur Kennzeichnung der Dimension angehängt werden.
  • HD-3D : 3d-Wasserströmung mit freier Oberfläche: Es gelten i.d.R. die Navier-Stokes-Gleichungen. Für die Behandlung der freien Oberfläche sind spezielle Annahmen zu treffen.

Erweiterungen:

  • ST : Sedimenttransport: Es wird i.d.R. die Exner-Gleichung in Verbindung mit Sedimenttransportformeln verwendet. Diese Modelle sind i.d.R. nur in Kombination mit einem der o.g. HD-Modelle ausführbar.
  • AD : Stofftransportmodelle (advection-dispersion) : Es werden i.d.R. die Advektions-Diffusions-Gleichungen gelöst. Diese Modelle sind i.d.R. nur in Kombination mit einem der o.g. HD-Modelle ausführbar.
  • WQ : Wasserqualität

Grundwassermodelle GW

Grundtypen:

  • GW-XZ : 2d-GW-Strömung im verikalen Schnitt : Dieses Modell wird meist zur Berechnung der Sickerlinie in Dämmen und Deichen verwendet.
  • GW-XY : 2d-GW-Strömung in der horizontalen Fläche : Modell mit freier Oberfläche ähnlich den Flachwassermodellen.
  • GW-3D : 3d-Grundwasserströmung

Erweiterungen:

  • UZ : Modell für die unsaturierte Zone: Es wird vereinfachend die Versickerung in der unsaturierten Zone berechnet. Diese Modelle sind i.d.R. nur in Kombination mit einem der o.g. GW-Modelle ausführbar.

Strukturen S

Weiterhin existieren eine Vielzahl von speziellen Programmen zur Behandlung von Teilproblemen (Strukturen S) wie:

Die Strukturen sind i.d.R. sehr viel einfacher und schneller berechenbar als die oben genannten Modelle, da hier meist Formeln und keine Gleichungssysteme gelöst werden müssen.

Abgeleitete Modelle D

Einige eigenständige Simulationen benötigen die Ergebnisse der hydrodynamischen Simulation als Eingabedaten.

 


Beispiel : Sehr komplizierte Modelle beinhalten mehrere Modelltypen. Für das Wasserbilanzmodell MIKE SHE kann folgender Maßen klassifiziert werden:

GW-3D_UZ_AD/HD-SW-1D_AD/NA-DM_WQ/S-WE-DL-DB//BW

oder einfacher

WH//BW

 
Vorbereitung der Berechnung
 

Die Vorbereitung einer Simulationsberechnung ist arbeitsintensiv und dauert meist deutlich länger als die Rechenausführung. Die Erstellung der Engabedateien erfordert i.d.R. spezielle Software (Pre-Prozessor), die die notwendigen Eingabedaten einliest, validiert und dann im programmspezifischen Format wieder ausschreibt. Meist verfügt der Pre-Prozessor über eine grafische Benutzeroberfläche, so dass dem Benutzer das Edtieren von ASCII-Daten erspart bleibt.

 

 
Probabilistische Auswerteverfahren
 

Alle vorgestellten Modelle sind deterministisch, d.h. zu einem Eingabeparametersatz wird ein eindeutiges Ergebnis berechnet. Das nach Wiederholung der Berechnung unverändert bleibt. Ein solches Verhalten ist mathematisch richtig, physikalisch jedoch unmöglich. Die Eingabeparameter sind immer Schwankungen unterworfen. Mit probabilistischen Auswerteverfahren können die Auswirkungen von Fehlern in den Eingabedaten auf die Ergebnisse eines Berechnungsmodells detailliert analysiert werden. Es existiert eine Vielzahl von Methoden. Die einfachste diese Methoden ist die Fehlerfortpflanzungsberechnung bei einfachen, differenzierbaren und funktionalen Zusammenhängen. Im Folgenden werden zwei einfache, weit verbreitete und allgemein anwendbare Ansätze beschrieben:

  • Sensitivitätsanalyse (SA)
  • Monte-Carlo-Methode (MC)

Wegen der Möglichkeit Optimierungen ausführen zu können, sind die probabilistischen Auswerteverfahren prinzipiell auch für Bemessungsaufgaben geeignet.


Der Nutzen der probabilistischen Verfahren für das Wasserwesen ist unbestritten. Das Operieren mit Bandbreiten an Stelle fixer Berechnungsergebnisse ist jedoch noch weitgehend ungeregelt und daher in der Praxis wenig verbreitet.

 

 
Grafische Auswertung der Ergebnisse
 

Oft kann zur grafischen Auswertung (Post-Prozessor) der Ergebnisse die gleiche Software verwendet werden, wie zum Pre-Processing. Oft wird aber eine spezielle Plot- oder Visualisierungssoftware erforderlich, um einen qualitativ hochwertigen Ausdruck zu erzeugen.

 

 
Modellintegration
 

Die Daten werden immer häufiger via GIS-Umgebung bereitgestellt und weiterverarbeitet. Diesem Standardisierungsdruck muss auch die hydraulische Simulation über kurz oder lang nachgeben. Eine nahtlose Einbindung in standardisierte Strukturen der Geoinformatik ist von Seiten der Benutzer wünschenswert. Die Modellintegration (MI) erfordert von Seiten der Modellentwickler jedoch noch erhebliche Anstrengung. Dies gilt sowohl für die GIS-Entwickler, als auch für die Entwickler hydrodynamischer Simulationssoftware.

 
Integrierte Modellumgebung
  Während die Modellintegration darauf abzielt die einzelnen o.g. Berechnungsmodelle in das GIS-System einzubinden, beschreiten integrierte Modelle (IM) den entgegengesetzten Weg. Die Berechnungsmodelle werden unter einer eigenen integrierten Modellumbebung (IME) zusammengefasst und betrieben. Die GIS-Funktionalität wird ebenfalls integriert (BASINS) oder über Schnittstellen exportiert. An der Schnittstellendefinition wird derzeit gearbeitet (Stichwort: INSPIRE). Sie ist sowohl für IM als auch MI bedeutend.


Web-Master 17/1/12